Digitalisierung in Unternehmen – Herausforderungen, Treiber und Blocker

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Die Digitalisierung in Unternehmen erhält immer mehr Schübe: Zunächst die Corona-Pandemie, in der viel für das „Arbeiten von Zuhause“ investiert wurde und nun durch den Druck des schwachen Wirtschaftsmarktes. Das bringt zusätzliche Herausforderungen mit sich. Längst sind die IT-Architekturen keine Ansammlung von Systemen mehr, sondern komplexe Ökosysteme die nicht nur intern Prozesse steuern und Informationen bereitstellen. Auch die digitale Verknüpfung mit Lieferanten, Kunden, Marktplätzen und Staat schreitet unaufhaltsam voran.
Chancen und Gefahren der Digitalisierung in Unternehmen
Das Homeoffice ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich die Organisationen „Unternehmen“ und „Familie“ verändern mussten, um mit der neuen Arbeitsform während der Corona-Pandemie zurecht zu kommen. Und nicht jeder Mitarbeiter (und Arbeitgeber) ist glücklich darüber. In den USA haben 45 Millionen Arbeitnehmer ihren Job gekündigt, weil sich die Arbeit verändert hat (Viele Amerikaner ziehen die Reißleine, Kündigungen in den USA, tagesschau 18.01.2022). Außerdem zeigte sich, wie anfällig hocheffiziente globale Vernetzungen, wie z.B. die Supply-Chain, auf globale Veränderungen (z.B. Brexit, Corona-Pandemie) reagierten.
Aber es haben sich auch neue Türen geöffnet: Die Mitarbeiter lernten Veränderungen anzunehmen und zu managen. Zudem entschärfte die Einführung des Homeoffice die regionale Abhängigkeit von Arbeitskräften in den Betrieben.
Die Beispiele zeigen: Digitale Transformation umfasst nicht nur die Veränderung der Systemlandschaft und die Automatisierung von Prozessen. Auch die Auswirkung auf Arbeitsplätze, Teamarbeit, sozialem Umfeld, Informationsbedarf und Unternehmensstruktur müssen aktiv und bewusst angegangen werden. Sonst ist die digitale Transformation gefährdet.
Massive Treiber der Digitalisierung in Unternehmen können die digitale Veränderung in die Blockade führen
Manche Digitalisierungsvorhaben einzelner Abteilungen enden in einer Sackgasse. Bei einem Industrieunternehmen konnte ich beobachten, was passiert, wenn ein Team bei der Digitalisierung einfach loslegt. Die Position „Marketingleiter“ wurde mit einer technisch affinen Person besetzt, um das Marketing digitaler und kundenorientierter auszurichten. Entsprechend engagiert plante das Team große technische Veränderungen. Um keine Zeit zu verlieren, preschten sie nach vorne und führten neue Systeme ein, unter anderem ein CRM. Folge: Das CRM wurde ausschließlich aus Daten des ERP-Systems befüllt und für Kampagnen des Marketings genutzt. Weder Vertrieb noch Kundenservice nutzten das System. Während der Kundenservice ein eigenes kleines System hatte, arbeitete der Vertrieb ausschließlich mit den Daten im ERP-System.
Man hatte diese Bereiche nicht einbezogen, sondern war davon ausgegangen, dass sie das System schon nutzen werden, wenn es einmal da ist. Der eigentliche Vorteil eines solchen Systems, Kundendaten zu zentralisieren und die Customer Journey abzubilden konnte nicht genutzt werden. Außerdem war durch die Art und Weise der Einführung des Systems in den Bereichen Vertrieb und Kundenservice eine Blockade entstanden, die nur durch eine Ansage von oben und damit mit Zwang überwunden werden konnte. Spaß am Projekt sieht anders aus.
Blocker der Digitalisierung auf der Führungsebene
In einem anderen Projekt arbeitete ich mit einem Vertriebsleiter zusammen, der keinerlei Vorstellungen darüber hatte wie Kundendaten sinnvoll geclustert und aufbereitet werden können, um sie effektiv zu nutzen. Vor dem Versand eines Newsletters wurden die Kunden in Excel handverlesen. Vorschläge der Mitarbeiter für Anpassungen im ERP wurden ignoriert. Das führte dazu, das die Key-Accountmanager Excel-Tabellen einführten, um ihre jeweils eigenen Kunden besser strukturieren und Zusatzinformationen erfassen zu können. Zudem diskutierten die Mitarbeiter darüber, ein vorhandenes Ticketsystem zu nutzen, um die eigene Arbeit besser zu strukturieren. Das sind Ausweichmechanismen, die kurzfristig dem Team helfen aber mittelfristig schädlich sind. Durch diese individuellen Lösungen ist eine qualitative Weiterentwicklung der technischen Vertriebsunterstützung von Anfang an begrenzt. Einmal in falsche Systeme investiert, ist es schwer wieder davon wegzukommen. Denn wer einmal den Aufwand hatte, sich einen technischen Weg zu bahnen, will die Früchte ernten und nicht wieder von vorne anfangen.
Hinzu kommt, dass individuelle Lösungen, nicht die Zusammenarbeit der Bereiche berücksichtigt. Eine Zusammenarbeit in der nicht nur Prozesse vereinfacht werden können, sondern auch Doppelarbeiten erst gar nicht anfallen.
Digitalisierung in Unternehmen: Viel hilft nicht immer viel
Sobald sich ein Unternehmen die Digitalisierung auf die Fahne schreibt, schießen die Projekte wie Pilze aus dem Boden. Ich selbst war in einem Projekt als Projektleiterin tätig, in dem es nur zweimal während eines dreiviertel Jahres gelang, das gesamte Projektteam in das Projektmeeting zu bekommen.
Jeder Mitarbeiter arbeitete in mindestens fünf Projekten gleichzeitig. Die Kalender waren nicht nur überfüllt, sondern es fielen auch Überstunden an, die abgefeiert werden mussten. Aufgrund einer Umstrukturierung wechselten die Zuständigkeiten und Mitarbeiter im Projekt. Ein Ende der Situation war nicht in Sicht. Die Folgen: Fehler, weil Informationen fehlten, Zeitverzug, weil der Projektplan sich nach der Verfügbarkeit der Mitarbeiter richtete, Unzufriedenheit, weil die Fortschritte klein waren und die Mitarbeiter den Aufgaben nicht die notwendige Zeit widmen konnten.
Dabei wäre es sowohl aus betriebswirtschaftlicher als auch aus digitaler Sicht sinnvoller, weniger Projekte parallel umzusetzen. Die Projekte werden zügiger und qualitativ besser umgesetzt und können somit schneller die Produktivität und Effizienz von Teams und Systemen verbessern (Time to Market). Die Projektmitarbeiter stehen aufgrund des Erfolgserlebnisses mit neuer Motivation dem nächsten Projekt zur Verfügung.
Der Blocker „Flickenlandschaft in der IT“
Viele Projekte auf einmal, der Trend, Störungen mit mehr Digitalisierung zu begegnen, und das Vorpreschen einzelner Teams im Aufbau einer technischen Arbeitsumgebung führen häufig dazu, dass in der IT eine stark heterogene Systemlandschaft mit hoher Komplexität entsteht. Dadurch geht Transparenz verloren, Ressourcen werden für den Betrieb und Support gebunden und technische Veränderungen maßgeblich erschwert. Nicht selten müssen im Vorfeld der technischen Weiterentwicklung erst einmal Konsolidierungen in der IT-Landschaft durchgeführt werden. Nur auf einer Lean-Architecture lassen sich neue zukunftsfähige Technologien weiter aufbauen.
Erkenntnisse für Anpassungen in der Umsetzung der Digitalisierung in Unternehmen
Die digitale Transformation benötigt mehr als die Einführung neuer Technologien. Der Transformationsprozess muss Priorisierungen in den Umsetzungen genauso vorsehen wie die Vorbereitung der Mitarbeiter auf veränderte Arbeitsplatzbedingungen. Hierfür müssen Vorarbeiten in der Analyse der geschäftsrelevanten und bereichsübergreifenden Prozesse, der Datenflüsse und dem Anpassungsbedarf in der Organisation eingeplant werden. Auch die Abwägung zwischen automatisierten Prozessen und die Einführung von Systemen kann unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit nicht ad hoc getroffen werden.
Damit alle Bereiche am gleichen Strang ziehen, muss die Unternehmensstrategie durch eine Strategie der digitalen Transformation ergänzt werden. Um ihre Umsetzung sicher zu stellen, empfiehlt es sich zudem ein Audit einzuführen, das z.B. anhand von KPIs den Umsetzungsgrad feststellt. Die Dringlichkeit, an welcher Stelle die Digitalisierung im Unternehmen angegangen werden soll, kann mit Hilfe einer Analyse des Digitalisierungsgrads bestimmt werden. So kann u.a. auch vermieden werden, dass es zu digitalen Schieflagen innerhalb eines Unternehmens kommt.
Das erfordert eine Führungskraft, die strategisch arbeitet, Erfahrung mit der Aufdeckung von Potenzialen der Digitalisierung in Unternehmen und im Change-Management hat und operativ nicht nur die Fäden in der Hand hält, sondern mit anpackt. Sie sollte zudem zuständig für das Audit der Umsetzung und des Digitalisierungsgrades sein.

(c) Bettina Vier, Digitalisierung + E-Commerce, 2023
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