Wegrationalisierung als Booster – Wie ich mich schon einmal selbst wegrationalisierte

(c) Thomas Reimer; Adobe Stock
Zugegeben, es ist schon ein paar Jährchen her. Ich stieg nicht lange nach meinem Studium bei einer Bank (Ende 90er Jahre) ein und ein Kollege begrüßte mich mit dem Satz: „Wer ‚Vier‘ heißt muss auch für vier arbeiten.“ Damit spielte er auch darauf an, dass es viel zu tun gab. Das Projekt einer CRM-Datenbank kam nicht voran und so widmete ich mich einer Anfrage aus der IT. Sie hatten HTML-Seiten für das Internet erstellt und wollten diese online stellen. Doch hierfür brauchten sie jemanden aus dem Marketing, der ihnen die Inhalte erstellte. Ziel war es, die volkswirtschaftlichen Publikationen der Bank ins Internet zu stellen.
Und damit begann mein Job, mich selbst wegzurationalisieren.
Nur wusste ich es damals noch nicht. Ich lernte in meiner Freizeit HTML und JavaScript die Anforderungen des Internets zu verstehen. Meine Chefin schüttelte den Kopf und meinte ich solle nicht zu viel Zeit in das Internet investieren, das sei nur ein Hype (Hahaha).
Zu dieser Zeit gab es nur statischen Content, Web-Editoren oder automatisierte Prozesse waren unbekannt. Die Pflege der Seiten war mit großen Aufwand verbunden: Jede Publikation musste manuell auf jede Seite gestellt werden unter der sie gefunden werden sollte. Auch die Generierung eines PDFs war noch ein Prozess in drei manuellen Schritten.
Auslöser für die Automatisierung waren nervige und langweilige Aufgaben
Diese Arbeiten nervten. Sie kosteten Zeit und waren nicht anspruchsvoll. Aber ich hatte einen IT-Kollegen, der mir zuhörte, wenn ich davon träumte, wie schön es wäre, wenn manche Dinge einfach automatisiert laufen würden.
Oft hörte ich tagelang nicht mehr von ihm. Doch dann tauchte er auf und zeigte mir eine neue tolle Idee, um die lästigen Aufgaben zu automatisieren.
Und so automatisierten wir den Webauftritt Schritt für Schritt. Vom „blauen Drucker“ den er mir in Word hinterlegte und der mir ein PDF mit einem Klick erzeugte (blau, weil das Symbol blau war) bis hin zu einer Website, die sich auf Basis der Kategorien selbst generierte. Die Dateien mussten nur noch mit den Metadaten auf ein Laufwerk abgelegt werden. Und für diesen Schritt war ich auch nicht mehr notwendig, denn zusammen mit dem blauen Drucker konnten das die Volkswirte auch selbst machen.
Parallel dazu kamen die ersten Web-Editoren auf den Markt, weshalb für die Pflege der meisten Webseiten keine HTML-Kenntnisse mehr notwendig waren. Somit konnte auch diese Arbeit dem Team „Technische Assistenz“ übergeben werden.
Durch die Wegrationalisierung einfacher Tätigkeiten reduzierte sich mein Aufwand von 75% meiner Arbeitszeit auf 25%. 25% der frei gewordenen Zeit investierte ich in die Arbeit an einer Kundendatenbank zum Verkauf von Abonnements auf die Publikationen. Doch auch hier arbeiteten wir an einen möglichst automatisierten Prozess.
Wegrationalisierung: Ich hatte meine Passion gefunden
Mein Job bei der Bank war damit erledigt. Aber es machte mir nichts aus. Im Gegenteil: Ich hatte meine Passion gefunden. Das Internet ließ mich nicht mehr los. Und mit jeder Entwicklung, die dazu kam, konnte ich mich tiefer in die Materie systemübergreifender Prozesse und Automatisierungspotenziale drillen, um für die Website das Beste herauszuholen. Und so tauche ich auch immer tiefer in angrenzende Bereiche ein, denn der E-Commerce muss vom Lieferanten über Service, Vertrieb und Marketing bis hin zum Kunden als automatisierter Prozess angestrebt werden, um maximale Effektivität zu erzielen.
Spannend, herausfordernd und mit großen Erfolgserlebnissen. Zudem ein Bereich, in dem ich weit über den Shop technisches Know-how aufbauen konnte.
Von meiner Verabschiedung bei der Bank ist mir noch das Lachen meines Kollgen in Erinnerung, den ich in der Einleitung erwähnt hatte: „Mein Hinweis zu deiner Einstellung, dass jemand der „vier“ heißt, wie vier arbeiten soll, sollte eigentlich ein Scherz sein.“
Fazit:
Wegrationalisierung? Jederzeit wieder, denn ich habe mich für „Sekt“ (s. Bild) entschieden. In Teilen tue ich es weiterhin. Denn die gewonnene Zeit kann ich in neue Themen investieren und dazu beitragen, dass mein Job spannend bleibt. Andere Bereiche konnte ich noch nicht eliminieren. Mal sehen, was die KI bringt. Vielleicht kann ich irgendwann meine KI zur Arbeit schicken.